ETH-Tagung: Rüstungsbeschaffung in Europa: Aktuelle Trends und Implikationen für die Schweiz

Am 16. November 2018 führte das CSS die Tagung "Rüstungs-beschaffung in Europa: Aktuelle Trends und Implikationen für die Schweiz" durch. In Rahmen von drei Panels beschäftigten sich die Teilnehmenden mit der Beschaffung von Grosssystemen, mit Schlüsseltechnologien und Industriepolitik sowie mit den anstehenden Rüstungsbeschaffungen in der Schweiz.

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Die 32. ETH-Arbeitstagung zur schweizerischen Sicherheitspolitik widmete sich den wachsenden Herausforderungen in der Rüstungsbeschaffung, mit denen sich viele europäische Staaten derzeit in vergleichbarer Weise konfrontiert sehen. Wie sie den gegenwärtigen Modernisierungsstau, etwa im Bereich alternder Hauptwaffensysteme und bei der Einführung zukunftsträchtiger Technologien, bewältigen wollen, ist auch im Schweizer Kontext von grossem Interesse. Im Rahmen der Arbeitstagung wurde dieser Themenkomplex von den Teilnehmern aus Bundesverwaltung, Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft vertieft diskutiert.

Eine einführende key note speech arbeitete die verschiedenen Problembereiche im nationalen Beschaffungswesen, der europäischen Zusammenarbeit und auf den globalen Märkten klar heraus und machte die engen Verknüpfungen zwischen ihnen deutlich. Von besonderem Interesse war neben einer Analyse des in weiten Teilen ungenutzten Kooperationspotentials in Europa auch die wachsende Rolle der chinesischen Rüstungsunternehmen, deren globale Präsenz in den kommenden Jahren weiter zunehmen dürfte.

Europäische Kleinstaaten und die Beschaffung von Grosssystemen

Das erste Panel des Tages befasste sich anschliessend mit den weitgehenden Einschränkungen, denen sich europäische Kleinstaaten bei der Beschaffung von Grosssystemen stellen müssen. Am Beispiel der Streitkräfteplanung der Schweizer Armee wurde erläutert, wie der Ersatz zahlreicher Grosssysteme im Kontext eines erweiterten Anforderungsprofils der Streitkräfte zu bewältigen ist. Eine detaillierte, langfristige Planung und eine Festlegung der Vorhaben auf der Zeitachse kann hier zwar ans Ziel führen. Der vorgezeichnete Pfad bleibt jedoch, wie in anderen Kleinstaaten auch, relativ schmal.

Mit Blick auf die österreichische Rüstungsbeschaffung wurde diskutiert, dass den Anforderungen in diesem Bereich nur durch die frühzeitige Einbindung der Truppe, Mut zur Beschaffung von off-the-shelf-Gütern und erhöhte Transparenz zu entsprechen ist. Zugleich wurde auch die Möglichkeit von «Einkaufsgemeinschaften» kleiner Staaten thematisiert, wobei jedoch zunächst eine Reihe von politischen und verwaltungspraktischen Hindernissen zu überwinden wäre. Die zentrale Bedeutung eines soliden politischen Konsenses für anstehende Beschaffungen wurde besonders betont.

Eine Analyse des Fallbeispiels Finnland zeigte, wie ein Kleinstaat zwei gleichzeitige Grossbe-schaffungen relativ erfolgreich in die Wege leiten konnte. Als wichtige Voraussetzungen dafür wurden unter anderem das geostrategische Umfeld, die politische Abstützung der Langfristpla-nung und eine stark ausgeprägte Konsenskultur identifiziert. Auf Interesse stiess auch das finni-sche Modell der Industriebeteiligung, das sich stark an Kriterien der nationalen Sicherheit orien-tiert.

Rüstungsbeschaffung, Schlüsseltechnologien und Industriepolitik

Im zweiten Panel wandte sich die Debatte den zentralen Fragestellungen im Bereich der Definition von Schlüsseltechnologien und der Industrieförderung zu. Ein einführender Vortrag legte die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene dar und zeigte einmal mehr, dass die nationalen Interessen und Eigenheiten sehr unmittelbar in die Entscheidungsfindung einfliessen und sich dementsprechend deutlich in den Ergebnissen abbilden. Auch Zukunftsfragen im Bereich der künstlichen Intelligenz und der Cybersicherheit fanden prominente Erwähnung.

Die Notwendigkeit einer Definition von Schlüsseltechnologien, die im Kontext der nationalen Industriebasis besonders zu behandeln sind, wurde in den folgenden Vorträgen anhand der Beispiele Schweiz und Deutschland ausführlich dargelegt. Dabei hatten die deutschen Initiativen in diesem Bereich eine klar trendsetzende Funktion. Zugleich stellten sich jedoch gerade die Kleinteiligkeit der Schweizer Industriebasis und die Überschaubarkeit des Verwaltungsapparates als mögliche Vorteile in der Umsetzung eines weitsichtigen STIB-Konzepts dar.

Im letzten Vortrag des Panels konnten wichtige Tendenzen der europäischen Industriepolitiken am Beispiel Italiens in besonderer Klarheit analysiert werden. Die Nutzung europäischer Kooperationsrahmen zur Bevorzugung eigener Unternehmen, die umfangreiche Sonderförderung wichtiger Betriebe aus Haushaltsposten des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und die grosse Bedeutung von Arbeitsplätzen und die Wertschöpfung in randständigen Regionen wurden besonders hervorgehoben.

Anstehende Rüstungsbeschaffungen in der Schweiz: Aktuelle Aspekte und Handlungsoptionen

In einem abschliessenden Panel konnten die Schlussfolgerungen des Tages und ihre Bedeutung für die Schweiz im Kontext anstehender Grossbeschaffungen nochmals ausführlich diskutiert werden. Als zentrale Diskussionspunkte kristallisierten sich das Fehlen eines klaren politischen Konsenses und die schwierige Vermittlerrolle der Medien heraus. Diskussionsstoff blieb unter den zahlreichen TeilnehmerInnen dieser 32. ETH-Arbeitstagung auch am Ende eines aufschlussreichen Konferenztages noch reichlich vorhanden.

Weiterführende Literatur:

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