Ein Vergleich aktueller kritischer Infrastrukturansätze
Russische Angriffe auf kritische Infrastrukturen in der Ukraine und andere Krisen in den letzten Jahren haben zu bedeutenden politischen Entwicklungen im Zusammenhang mit kritischen Infrastrukturen innerhalb der EU, der NATO und der Schweiz geführt. Im Umgang mit der herausfordernden Risikolandschaft stehen Resilienz und Kooperation im Fokus, um die Auswirkungen disruptiver Ereignisse abzufedern.
Russlands Vorgehen in der Ukraine seit 2014 einschliesslich seiner gross angelegten Invasion im Jahr 2022 haben die Bedeutung kritischer Infrastrukturen (KI) und ihrer Verwundbarkeiten aufgezeigt. So hat Russland beispielsweise gezielt Energie und Kommunikationsinfrastrukturen angegriffen, um durch die Unterbrechung wichtiger Dienstleistungen einen militärischen Vorteil zu erlangen. Gezielte Angriffe auf KI bestehen jedoch bereits unter der Kriegsschwelle und werden oft als «hybride Bedrohungen» bezeichnet. Diese Bedrohungen können unter anderem in Form von Cyberattacken oder Spionage auftreten. Die Sabotage der Nord-Stream-Pipeline in der Ostsee im Jahr 2022 hat beispielsweise die Anfälligkeit der europäischen Energieinfrastruktur aufzeigt.
Unter KI versteht man Einrichtungen, Systeme, Netzwerke und Betreiber, die Dienste ermöglichen und bereitstellen, die für das Funktionieren von Regierungen, Volkswirtschaften und Gesellschaften erforderlich sind. Zwar können verschiedene Länder und Organisationen eine leicht voneinander abweichende Definition und Abgrenzung von KI haben, doch begegnet man ihnen im Allgemeinen aus einer sektorbezogenen Perspektive. So unterscheidet man zum Beispiel zwischen Energieinfrastruktur, Kommunikationsdienstleistungen oder Transportnetzen. Die sektorbezogene Betrachtung bietet einen Ansatz um KI zu erkennen, abzugrenzen und zu organisieren. Allerdings kennzeichnen sich die heutigen KI durch starke gegenseitige Abhängigkeiten, die auf die Globalisierung, Urbanisierung, Digitalisierung und einen allgegenwärtigen Cyberraum zurückzuführen sind. Dadurch verschwimmen diese Sektorgrenzen und KI werden noch verwundbarer. Beispielsweise hängen moderne Energieinfrastrukturen von Telekommunikationsnetzen ab und umgekehrt. Potenzielle Störungen von KI sind jedoch nicht nur auf absichtliche Bedrohungen zurückzuführen, sondern können das Ergebnis unterschiedlicher Gefahren sein. Dazu zählen unter anderem Naturgefahren und geophysikalische Ereignisse wie Überschwemmungen oder Erdbeben sowie Zwischenfälle, die durch technisches Versagen und menschliches Handeln verursacht werden. So hat beispielsweise die Entgleisung eines Güterzugs im Gotthard-Tunnel im August 2023 die Folgen einer Störung innerhalb des Schweizer Güterschienennetzes aufgezeigt. Darüber hinaus hatte die Liberalisierung von KI im Westen – vor allem in den 1990er Jahren – zur Folge, dass häufig private Akteure Besitzer oder Betreiber von KI sind. Das kann die Regierungsaufsicht, die Kontrolle und die Vereinheitlichung von Sicherheitsmassnahmen erschweren, wenn diese kostenoptimierten Geschäftsmodellen gegenüberstehen.
Die kontinuierliche Verschlechterung der internationalen Sicherheitslage hat in zunehmendem Masse die Bedeutung von KI und ihres Schutzes innerhalb der westlichen Länder und Institutionen erhöht. Der Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht der Schweiz 2021, der 2022 veröffentlicht wurde, unterstrich die Überprüfung und Anpassung seiner Strategien in Bezug auf Resilienz und Kooperation beim Schutz kritischer Infrastrukturen, um auf künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein. Ausserdem zeigt der Bericht auf, dass eine verstärkte internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit der NATO und der EU, neue Möglichkeiten zur Stärkung des Bevölkerungsschutzes schaffen könnte. Das wiederum schliesst die Bereiche der KI und Resilienz mit ein. Folglich bieten Überlegungen zu den jüngsten Veränderungen innerhalb der NATO und der EU sowie über das derzeitige Verständnis der Resilienz von KI wertvolle Anhaltspunkte für mögliche oder bestehende Zusammenarbeit. Die Überprüfung der aktualisierten nationalen Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen der Schweiz bietet eine Chance, Überschneidungen und Abweichungen in den Überlegungen zur Resilienz von KI zwischen der Schweiz, der EU und der NATO festzustellen.